Dranbleiben als Kreative?

Um ein großes Projekt, wie „einen Roman schreiben“, zu beenden, muss ich dranbleiben können. Vielleicht hat mich deshalb der Aufruf zu einer Blogparade genau zum richtigen Zeitpunkt erwischt. Um in Worte zu fassen, was sonst in Einzelteilen durch meine Gedanken wandert.

Astrids Einladung zur Blogparade trägt die Überschrift: Wie schaffst du es, Dinge durchzuziehen – auch wenn’s im Alltag stressig wird?

Und weil ich es liebe von anderen Menschen zu lesen, welche Organisationssysteme sie ausprobiert haben, wo sie an Grenzen gestoßen sind und was für sie geklappt hat, beantworte ich in diesem Artikel die Fragen aus Astrids Blogparade.

Vorher noch ein kurzer Schwenk, was genau mich daran interessiert und warum mir gesunde Produktivität wichtig ist.

kreativ produktiv – eine nie endende Reise

Beim Überfliegen der Fragen aus dem Aufruf zur Blogparade und meinen Überlegungen für diesen Beitrag, habe ich die unterschiedlichsten Worte gelesen und assoziiert, die thematisch zu dieser Frage gehören. Ein paar davon:

  • durchziehen, durchhalten, dranbleiben
  • Durchhaltevermögen

Durchhaltevermögen ist für mich ein sperriges Wort. Eines bei dem ich an zusammengebissene Zähne und verkrampfte Oberkörpermuskulatur denke, wenn jemand über den Schreibtisch gebeugt versucht die eine rettende Idee zu finden – für was auch immer.

Dranbleiben klingt schon viel freundlicher. Das Wort impliziert für mich intrinsische Motivation. Und je nach Stimmung manchmal auch leichte Sorge. Denn ich denke immer wieder, ich sollte besser darin sein. Besser dranbleiben können.

Schließlich bin ich bei dem Wort gelandet, das ich oft in diesem Kontext verwende: Produktivität.
Ich bin auf der Suche nach einer entspannten, gesunden Produktivität, die Raum fürs kreativ sein lässt.

Als ich anfing in unregelmäßigen Abständen, aber wiederkehrend zu schreiben, habe ich einfach drauf los geschrieben. Ransetzen, weitermachen, durchbeißen – so muss es doch auch bei Texten gehen. Dachte ich. Denn so oder so ähnlich habe ich meine erste kurze Geschichte beendet. Immer weiter Wörter in die Tastatur hämmern.
Spätestens seit ich am ersten Romanmanuskript sitze weiß ich: es ist auf der einen Seite so viel mehr als das und gleichzeitig könnte man es boshaft doch wieder genau darauf herunterbrechen. Und ich kann beobachten, wie ich immer wieder nach „dem richtigen Weg“ suche, wenn ich feststecke. Irgendwie ironisch, wo ich doch etwas kreatives machen möchte.

Meine Haltung zu Produktivität ist ambivalent.

Auf der einen Seite ist mir klar, dass weitermachen wichtig ist. Auf der anderen Seite sehe ich die klassische Erfolgsgeschichte kritisch. Sie geht ungefähr so:
Du musst nur lange genug durchhalten, dich genug reinhängen, damit am Ende alles gut wird. Und dann kannst du erzählen, dass du hart für deinen Erfolg gearbeitet hast.

Verstehe mich nicht falsch, ich will nicht behaupten, dass anderen Menschen ihre Erfolge einfach zufliegen. Aber es nervt mich, dass jedes Organisations- und Produktivitätssystem als das bahnbrechende System angepriesen wird. Dass es dein ganzes Leben besser machen würde.
Aber wir alle starten mit unterschiedlichen Voraussetzungen und ich habe mich schon zu oft von diesem Versprechen verführen lassen, nur um festzustellen, dass die dogmatische Umsetzung meistens nicht zu mir passt.

So habe ich mich voller Enthusiasmus mit Getting Things Done, PARA und verschiedenen Ansätzen von Personal Knowledgemanagment befasst. Aus den meisten habe ich etwas für mich mitgenommen. Und immer wenn ich mit meinem Organisationssystem stecken bleibe, mache ich wieder einen Ausflug in die Welt der Produktivitätssysteme.

Aber ich habe auch gelernt, dass ich dazu neige überzuorganisieren. Strukturen zu erschaffen, die mich mehr einengen als unterstützen. Weil mein innerer Leistungsdruck durch Statistiken, selbst gesteckte Termine und Deadlines weiter befeuert wird.
Es gab Zeiten in denen ich mir das Schreiben auf diese Art und Weise „kaputt geplant“ habe. Weil ich nur noch Termine und nicht erreichte Ziele gesehen habe. Und der Spaß auf der Strecke geblieben ist.

Meine Strickprojekte zum Beispiel will ich nicht durchorganisieren. Sondern an dem werkeln, worauf ich gerade Lust habe. Dafür muss ich viele angefangene Projekte aushalten und genug Platz haben sie zu verstauen.

Auch beim Schreiben beginne ich langsam mir zu erlauben, mehrere Projekte gleichzeitig zu verfolgen. Ich suche noch den Weg, der in diesem Bereich zu mir passt. Der mich als Kreative produktiv sein lässt und trotzdem Spaß macht.

Ich frage mich, wie sich das produktiv sein mit kreativen Tätigkeiten, wie dem Schreiben, vereinen lässt. Weil ich das schmerzhafte Bild des Durchbeißens und Durchhaltens in Nachsicht mit mir selbst verwandeln möchte. Dafür musste und muss ich testen, was für mich funktioniert.

Was hilft dir dranzubleiben?

  1. Fokus auf das, was Spaß macht und zum Energielevel passt.
    Ja, ich habe Ziele, Pläne und Träume. Aber in dem Moment, in dem ich mich mit Notizbuch oder Laptop hinsetze, fokussiere ich mich auf die Freude. Suche nach dem Textabschnitt, auf den ich heute Lust habe.
    Manchmal geht es mehr um den Überblick, Ideensortierung. Da kommt das Energielevel ins Spiel. Ich frage mich: was ist gerade möglich?

  1. Rahmenbedingungen für Produktivität und Flow erschaffen.
  • Schreibtisch aufräumen oder gezielt Schmierzettel und Notizen verteilen
  • den Ort wechseln – manchmal tippt es sich besser im Sessel mit Laptop auf dem Schoß
  • mit Musik oder ohne
    … alles je nach Stimmung.

  1. Die innere Haltung: ich erlaube mir zu lernen.
    Jedes Wort & jede Überlegung zählt. Denn Schreiben heißt für mich nicht nur am Manuskript zu arbeiten. Ich bin dabei herauszufinden, welche Plotstrukturen für mich funktionieren und brauche daher auch Phasen in denen theoretisches Schreibhandwerk mehr im Vordergrund steht. Dabei mache ich mir immer wieder bewusst, dass diese Lernzeit auf meine langfristigen Ziele einzahlen wird.

  1. Mini-Schritte & Themen-Dates
    Durch die Beschäftigung mit der Getting Things Done Methode übe ich organisatorisches in konkrete Handlungsschritte zu unterteilen. Das hilft mir vor allem bei organisatorischen Themen – alles was vorab durchgeplant werden kann und sich unterwegs wenig Änderungen ergeben.
    Auch die Themen Dates sind aus der Getting Things Done Methode abgeleitet. Dort gibt es den Wochenrückblick. Im Unterschied zum Rundumschlag, der da veranstaltet wird, widme ich die Themen Dates – wie der Name schon sagt – einem Thema. Ich habe begonnen Listen mit wiederkehrenden Aufgaben dazu anzulegen und konkreten Mini-Schritten, die mich bei diesen Themen unterstützen können. So stelle ich sicher, dass ich mir immer wieder Zeit zum Schreiben und Bloggen nehme.

  1. Pausen, Prioritäten & Selbstreflexion
    Vor allem in stressigen Zeiten hilft es mir, mir bewusst Pausen zu erlauben. Anzuerkennen, dass ich erst ein paar Grundbedürfnisse erfüllen muss. Und manchmal sind das die Momente in denen ich zugeben muss, dass meine Prioritäten sich gerade verschieben.
    Und ich versuche inzwischen mir Zeit zu nehmen Widerstände zu erforschen. Zu hinterfragen, weshalb sich eine Tätigkeit schwer anfühlt.

welche kleinen Gewohnheiten einen Unterschied machen

  • Ideen festhalten, ab und zu wieder besuchen, aussortieren, was nach einiger Zeit nicht mehr gefällt
  • so können alle Ideen, die mich länger als ein paar Tage interessieren mit der Zeit wachsen, auch neben einem Hauptprojekt
  • Unterscheidung zwischen Ideen und begonnen Texten / Schreibprojekten
    • wo Ideen eher automatisch wachsen, durch Gedanken, die ich in wenigen Worten im Alltag festhalte, wachsen begonnene Texte und Schreibprojekte ab einem gewissen Punkt bei mir nicht mehr auf diese „automatische“ Art und Weise
    • bei Alltagsgedanken für begonnene Schreibprojekte muss ich ab einer gewissen Größe differenzieren inwiefern der Gedanke den bisherigen Text voranbringt
    • Unterschied zwischen Ideen & Schreibprojekten liegt im Umfang und im Ziel
    • d.h. für Schreibprojekte brauche ich zwischendrin immer wieder Zeit, um zu prüfen, ob meine bisherigen Textfragmente zur Botschaft passen und ineinander stimmig sind
  • mit der Hand schreiben – meine liebste Lösung, wenn die Worte nicht „einfach“ fließen und auch angenehm, um Gedanken über einen Text oder eine Idee festzuhalten
  • seit Jahren nutze ich Journaling, wenn ich das Bedürfnis habe mich innerlich zu sortieren

Was hat auch mal nicht funktioniert?

  • rigides Timeboxing: erzeugt hauptsächlich Stress für mich selbst und gaukelt mir fehlende Flexibilität vor
  • länger als 10 Tage jeden Tag Tätigkeit X z.B. Schreiben, in Form von längerfristigen Aktionen; einzige Ausnahme, die ich bisher nicht wiederholen konnte: ein Schreibaktionsmonat

Was tust du, wenn du merkst „Ich hab gerade null Bock – aber ich machs trotzdem“?

Zugegeben: die null-Bock-Haltung kenne ich bei kreativen Projekten höchst selten. Irgendeinen Mini-Schritt der okay ist, finde ich meistens. Mein Problem ist eher das Energielevel. Diese Tage an denen ich nachmittags, wenn ein paar Stunden Zeit wären, nur noch erschöpft bin. Es ist dann ein schmaler Grad herauszufinden, ob mir kreatives Schreiben wieder Energie gibt oder ich eine Pause brauche.

Aber wenn ich entscheide etwas zu tun, schaffe ich mir klare Rahmenbedingungen:

  • Pomodoro Timer nutzen, gerne auch mit Gamification-Faktor (dafür nutze ich Spirit City Lofi)
  • Freewriting
  • konkrete Aufgabe aka Mini-Schritt raussuchen

Was hast du gelernt, als du mal nicht drangeblieben bist?

Vor allem in längere Texte muss ich mich wieder neu einlesen und rutsche dabei leicht in einen Überarbeitungsmodus. Bei einem Artikel oder einer Kurzgeschichte kann das unterstützen. Bei längeren Texten verkompliziere ich mir damit meinen Schreibprozess.
Gleichzeitig hilft eine zeitliche Unterbrechung auf neue Ideen zu kommen. So kann ich Möglichkeiten sehen, die ich vorher, gedanklich tief im Textprojekt, nicht mehr gesehen habe.

Die oft benannten Mini-Schritte können gut auf mich warten. Vor allem, wenn ich sie klar formuliert habe. Hier fällt es mir leichter wieder einzusteigen.

Durch das Hinterfragen meiner Widerstände habe ich auch gelernt: meistens sind Bedürfnisse nicht erfüllt oder wichtige andere Themen aus meinem Leben ungeklärt. Heißt im Umkehrschluss: ich muss für mich sorgen, damit ich etwas leisten kann. So offensichtlich diese Aussage klingen mag, bisher brauche ich ab und zu die Erinnerung daran.

Denkweisen die mir bei längerfristigen Projekten helfen & meine Lieblingstools

Neben der inneren Arbeit mit dem Thema Produktivität, abschließend noch ein paar unterstützende Betrachtungsweisen und konkrete Tools, die ich nutze.

Zwei Denkweisen, die ich durch die Auseinandersetzung mit persönlichem Wissensmanagement gelernt habe:

  1. Notizen müssen nicht den Status „fertig“ erreichen. Sie dürfen mit der Zeit wachsen.
  2. Stelle Fragen an dich selbst. So können wir gedankliche Wege festhalten, Interessen herauskitzeln und Wissenslücken aufdecken.

Tools
Kleiner Disclaimer: bisher versuche ich semi-erfolgreich die Balance zu finden zwischen

  1. Toolhopping vermeiden und
  2. Daten aus Clouddiensten in privatere Programme umzuziehen.

Deshalb in kurzer Aufzählung (ohne wertende Reihenfolge) meine liebsten Tools, die meine wilden Programmwechsel überlebt haben: Handynotiz-App, Kalender-App, Obsidian und Scrivener.

Fazit: testen und wachsen

Wir sollten unterwegs herausfinden:

  • warum wir welche Lebensbereiche / Hobbies / Themen organisieren wollen
  • welche Anforderungen wir an unser persönliches Produktivitätssystem stellen, also: was soll es können? Ich habe zum Beispiel gelernt, dass ich nicht für jede einzelne Aufgabe einen Termin und eine Erinnerung haben möchte.

Ich brauche das ausprobieren, das testen der Systeme und Durchhalte-Tipps. Denn so wächst inzwischen ein System, das langsam aber sicher zu meinen Anforderungen passt. Und nicht umgekehrt. Was hast du schon getestet und ausprobiert in der nie endenden Welt der Produktivitäts-Tipps?

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner
WordPress Appliance - Powered by TurnKey Linux